Marès – der Stein, der Mallorca gebaut hat
Er ist warm, weich und golden wie das Sonnenlicht der Insel: der mallorquinische Kalksandstein Marès. Kaum ein Material prägt Mallorca so sehr – und kaum eines erzählt so viel über seine Geschichte, Architektur und Seele.
Was ist Marès?
Marès (Pedra maresa auch Pedra arenisca oder Piedra de Marés) ist ein poröser, feinkörniger Kalksandstein, der fast überall auf Mallorca vorkommt. Er besteht überwiegend aus Calciumcarbonat, Muschel- und Korallenresten sowie Sandpartikeln, die sich im Laufe von Jahrtausenden zu Stein verdichteten. Seine Rohdichte beträgt je nach Abbauregion zwischen 1400-2000 kg/m³.
Das Besondere: Er ist leicht zu bearbeiten, atmungsaktiv und hat eine einzigartige, warme Farbe – von hellbeige bis goldocker. Wer durch Mallorcas Städte und Dörfer geht, sieht ihn überall: in Mauern, Bögen, Kirchen, Fincas und Stadtpalästen.

Geschichte eines alten Baustoffs
Seit der Antike wird Marès auf Mallorca als Baumaterial verwendet. Schon die Römer nutzten ihn für Festungsanlagen und Speicher, später bauten Mauren und Christen ganze Städte aus ihm.
Besonders in der Zeit der Gotik erlebte der Stein seinen Höhepunkt: Die Kathedrale La Seu in Palma, das Castell de Bellver, viele Klöster, Stadtpaläste und Landhäuser – sie alle bestehen aus Marès.
Sein Erfolg lag in seiner Verfügbarkeit: Der Stein konnte direkt vor Ort gewonnen werden – und die Insel besaß zahllose Steinbrüche, etwa bei Santanyí, Alcudia, Llucmajor, Felanitx, Porreres oder Muro.
Leicht, lebendig, formbar
Der Marès ist kein harter Stein wie Granit, sondern relativ weich und offenporig.
Gerade das machte ihn über Jahrhunderte so beliebt – er ließ sich von Hand schneiden, formen und ornamentieren.
So entstanden kunstvolle Fassaden, Bögen und Reliefs, wie man sie etwa in Palmas Altstadt oder in Orten wie Santanyí, Alcúdia oder Artà sieht. Die Porosität hat aber auch Nachteile: Der Stein ist anfällig für Feuchtigkeit, wenn er falsch verbaut oder mit Zement verbunden wird. Traditionell wurden die Mauern deshalb „atmen gelassen“ – ohne dichte Beschichtungen, damit sie trocknen konnten.

Farben des Südens – Die Ästhetik des Marès
Kaum ein anderes Material spiegelt das Licht Mallorcas so intensiv wie Marès. Seine Oberfläche nimmt Sonne auf und gibt sie mit einem weichen, goldenen Schimmer zurück.
Am späten Nachmittag, wenn das Licht flach auf die Hausfassaden fällt, leuchtet das Gestein in Honig-, Sand- und Bernsteintönen – ein Bild, das vielen Dörfern ihren unverwechselbaren Charakter verleiht.
Ob modern oder traditionell – Marès fügt sich harmonisch in jede Landschaft ein.
Deshalb wird er heute wieder zunehmend in der zeitgenössischen Architektur Mallorcas verwendet – als bewusster Rückgriff auf die regionale Baukultur.
Steinbrüche und Herkunft
Die bekanntesten Abbaugebiete liegen im Süden und Osten der Insel, etwa in:
-
Santanyí – liefert den berühmten „Santanyí-Stein“, besonders hell und feinporig.
-
Felanitx – traditionell für Bauwerke in der Region.
-
Llucmajor und Porreres – bekannte Zonen für tragfähigen, gleichmäßig strukturierten Marès.
-
Muro und Petra – liefern eher rustikale, grobkörnige Varianten.
- Alcudia-Manresa – alter Steinbruch aus römischer Zeit
Jeder Steinbruch hat seinen eigenen Charakter – Farbe, Dichte und Struktur variieren stark. Erfahrene Steinmetze können oft am Farbton erkennen, aus welcher Region der Marès stammt.

Marès in der modernen Architektur
Viele Architekten und Bauherren entdecken Marès heute neu – als authentisches, nachhaltiges Material. Denn er ist:
-
lokal gewonnen,
-
ökologisch vorteilhaft (kurze Transportwege),
-
und sorgt für ein natürliches Raumklima dank seiner Fähigkeit, Feuchtigkeit zu regulieren.
Einige moderne Villen und Fincas kombinieren Marès mit Glas, Beton und Holz – ein eleganter Mix aus Tradition und Moderne. Gerade im Zusammenspiel mit minimalistischen Formen entsteht so die typisch mediterrane Leichtigkeit.
Herausforderungen und Restaurierung
Marès ist wunderschön – aber anspruchsvoll. Seine hohe Porosität macht ihn empfindlich gegenüber:
-
falschen Mörteln (besonders Zement), Feuchtigkeit und unsachgemäßer Sanierung.
Viele historische Gebäude litten unter ungeeigneten Restaurierungen, bei denen moderne Materialien den Stein „erstickten“. Heute arbeiten Fachleute wieder mit traditionellen Kalkputzen und atmungsaktiven Techniken, um Marès-Bauten langfristig zu erhalten.
Nachhaltigkeit & Zukunft
In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit im Bauwesen immer wichtiger wird, erlebt Marès eine kleine Renaissance. Sein natürlicher Ursprung, seine regionale Verfügbarkeit und seine hervorragende Wärmeregulierung machen ihn zu einem zeitgemäßen Baustoff mit Geschichte.
Immer mehr Architekten auf Mallorca setzen ihn wieder bewusst ein – nicht aus Nostalgie, sondern weil er perfekt zur Insel passt. Er ist Teil der Identität Mallorcas – ökologisch, ästhetisch und emotional.

Fazit: Marès – Die Seele der mallorquinischen Architektur
Marès ist mehr als nur Stein. Er ist Gedächtnis und Gesicht Mallorcas, Zeuge einer jahrtausendealten Baukultur und Sinnbild mediterraner Schönheit.
Von den Klöstern der Vergangenheit bis zu den modernen Fincas von heute: Wer den Stein versteht, versteht die Insel. Der warme Glanz des Marès ist das, was Mallorca zu Mallorca macht – authentisch, beständig und voller Licht.









































